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1751 Die Oerer Junggesellen (Schützen) im Fahnenstreit
(Pfarrer Schmitz-Schriften Nr.55 - 61 + Nr. 554, Archiv Oer-Erkenschwick)
Nach wörtlichen Übertragungen des verstorbenen ehrenamtlichen Archivars Edgar May
Nach Angaben des Pfarrers Blanckenheim (1736-45) soll es beim Schützenfest und der St. Peter und Paul-Prozession noch keine Probleme gegeben haben. In seiner Zeit aber ist der Brauch aufgekommen, dass die Schützen an jeder Station mit ihren Gewehren ein großes Schießen veranstalteten. Eine Fahne hatten sie noch nicht, es wurden einfach Seidentücher dafür aneinander genäht.
Zur Zeit von Pfarrer Holtz (1745 - 1760) hören wir dann von Unstimmigkeiten. Bisher waren alle Junggesellen aus dem Kirchspiel Oer (Dorf Oer, Alt-Oer, Siepen und Sinsen) in der Schützenbruderschaft vereint, und bei König und Offizieren wurden nach der Ortsteilherkunft nicht gefragt. 1751 aber wollten die Alt-Oerer einen eigenen König haben, der bei der Prozession mitziehen sollte. Sie konnten aber ihr Vorhaben nicht durchsetzen.
Einige Oerer Junggesellen sammelten Geld für eine Fahne und dies nicht nur im Dorfe selbst.
Um die Aufbewahrung dieser Fahne kam es zu einem Streit der Junggesellen des Dorfs Oer mit denen der Bauerschaften, den Pfarrer Holtz zunächst dadurch löste, dass er die Fahne vom Küster beschlagnahmen und in der Sakristei deponieren ließ. Später gab er aber die Fahne wieder zurück.
Der 7-jährige Krieg (1756-1763) ließ die Leute dann andere Sorgen haben, aber 1764, als mittlerweile Pfarrer Schmitz (1760-1796) Pastor in Oer geworden war, wurde die Schützentradition wieder aufgenommen. Es ist nicht ersichtlich, ob erst jetzt auf die Fahne der Satz gestickt wurde: Diese Fahne gehört den Junggesellen von Oer.
Jedenfalls wurde dies jetzt wohl von den Dorf-Junggesellen so verstanden, dass die Fahne ihnen allein gehört. Dadurch fühlten sich die Junggesellen von Alt-Oer, Siepen und Sinsen ausgegrenzt. Außerdem kam es beim Schützenfest zu einem Streit. Es war Tradition, dass alle außerhalb des Dorfes Wohnenden beim Königsschießen im Dorf mitmachen durften. Es war auch Sitte, dass dies ausgerufen und dann ein kleiner Geldbetrag von den Schützen eingezogen wurde, die nicht im Dorf wohnten. Der Ausruf unterblieb in diesem Jahr, und die Junggesellen des Dorfes wollten den König somit ohne Konkurrenz ausschießen. Die Siepener und Sinsener veranstalteten ein eigenes Königschießen, ernannten eigene Offiziere und behielten außerdem die Fahne ein, die sie sich ausgeliehen hatten; sie deponierten sie beim Wirt Degener.
Damit war genug Sprengstoff für einen Prozess zusammen. Die Junggesellen des Dorfes beauftragten den Rechtsanwalt Uphoff, die Gegner den Prokuratoren Frantz Henrich Westerholt, den Anwalt Koene und den Notaren Cremer mit ihrer rechtlichen Vertretung. In langen Schreiben an den Statthalter von Nesselrode und in Schriftsätzen an das kurfürstliche Gericht in Recklinghausen suchten sie ihr Recht. Die Dorf-Junggesellen verlangten vor allem die Fahne zurück, was die Gegenseite aber verweigerte. Per Decret vom 15.5.1765 verbot der Statthalter zunächst das Vogelschießen und das Tragen von Fahnen und forderte die Streitenden zum Vergleich auf. Es fanden mehrere Termine statt, ohne dass die Streithähne sich einigen konnten. Nun wurde erzählt, Pfarrer Schmitz hätte sich im Sinne der Siepener-Sinsener geäußert. Auch er hatte wie Pfarrer Holtz die Fahne abholen und in der Sakristei verwahren lassen. Er fürchtete Probleme bei der Prozession und wollte das Fahnenschwenken und Schießen sowieso einschränken, forderte, etwas Rechtliches zu unternehmen, „weil sonsten das feur leucht noch stärker angeblasen werden dörfte“. Pastor Schmitz fürchtete sogar, dass sie ihm eine Kuh abstechen könnten. „Herr Pastor wäre wehrt, dass man ihm bey nächtlicher weil auflauren, und tuchtig was umbs leder geben thäte“, sollen einige Übeltäter sogar erzählt haben. Dann mähten sie ihm das grüne Korn am Meisenkamp ab. Wieder wollte er gerichtlich gegen die Übeltäter vorgehen, doch seine Amtsbrüder rieten ihm ab, weil er sonst nur Öl ins Feuer gösse. Allerdings versprach der Advokatus Fisci Kindermann ihm, sich zu erkundigen und die Täter zu schrecken. Erst 1769 verlas der Assessor Dr. Jeibmann, nachdem noch einmal ein Vergleich angemahnt wurde, das Urteil. Die Bauernschaft-Junggesellen mussten den Dorf-Junggesellen die Fahne zurückgeben und alle Kosten des Verfahrens tragen. Natürlich legten die Verlierer gleich Appellation ein. Die Fahne aber blieb trotzdem bis 1778 in der Sakristei hängen und wurde nur bei Umzügen abgeholt. Von einem Fortgang des Prozesses erfahren wir nichts.
Dann wollten mehrere Junggesellen die Fahne ansehen. Der Pastor fürchtete wieder Ärger und wollte sich erst mit den Kirchmeistern besprechen. Als einige Junggesellen dann doch die Fahne an sich nahmen, meinten die Kirchmeister, der Pastor solle sie mit ihrem „fehndel“ laufen lassen, ein Mitführen in der Prozession aber ausdrücklich verbieten. So geschah es dann auch
Mit dem Schießen dagegen hatte es der Pastor schwerer. 3 1/4 Pfund Pulver hatten die Junggesellen schon auf Kirchenrechnung vom Kaufmann Genius erhalten. Nun wollten sie „von Frantz Ader, mich und Die KirchMeistere noch ein Pfund, um es bei der Vesper zu verschießen“. Schweren Herzens musste der Pastor mitzahlen; denn die anderen hörten das Knallen wohl zu gern. Auch das Verlangen nach Freibier uferte immer mehr aus. Darum meinte der Pastor, es wäre das beste, ihnen zwar eine Tonne Bier zu spendieren, das Pulver aber sie selbst bezahlen zu lassen. Ihm kam die erzbischöfliche Verordnung „das gewehr von der Procession gantz abzuschaffen“ nur recht. (C) by Karl-Heinz Wewers